Ectoin
Die meisten kosmetischen Wirkstoffe sind schon sehr lange bekannt. Denken wir nur mal an Weihrauch, Myrrhe, Gingko oder Kamille. Sie kamen teilweise schon in der Antike zum Einsatz und finden dank ihrer guten Eigenschaften auch heute noch in vielen Produkten Verwendung. Ganz anders sieht es da mit Ectoin aus. Der Naturstoff, der zu den Extremolyten gehört, wurde erst 1985 zum ersten Mal nachgewiesen. Wissenschaftler entdeckten ihn in dem Purpurbakterium Halorhodospira halochloris. Dieses Bakterium stammte wiederum aus einem Salzsee in der Sketischen Wüste (Wadi El Natrun / Ägypten), der eigentlich als „tot“ und vollkommen lebensfeindlich galt. Mittlerweile ist bekannt, dass Ectoin in genau solchen extremen Umgebungen in zahlreichen halophilen, gramnegativen und grampositiven Bakterien vorkommt: nicht nur in Wüsten, sondern auch in Geysiren und sogar im Eis der Arktis. Bei dem Stoff handelt es sich um eine zyklische Aminosäure, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften auch manchmal Stressmolekül genannt wird. Ihr hoher medizinischer, biochemischer und kosmetischer Nutzen ist beeindruckend.
Was genau ist Ectoin?
In Anlehnung an die extremen Umweltbedingungen werden natürlich vorkommende, niedermolekulare Stoffe wie Ectoin Extremolyte genannt. Passender könnte ein Name auch tatsächlich nicht sein.
Kurze Erklärung: Damit Mikroorganismen auch unter extremen Bedingungen an Orten überleben können, wo eigentlich keine Form von Leben mehr möglich wäre, bilden sie im Zytoplasma Ectoin. Dieser Stoff schützt die Bakterien selbst vor extremsten Umweltfaktoren und sichert somit ihre Existenz. Er reguliert osmotischen Stress, wirkt hydratisierend und schützt beziehungsweise stabilisiert Enzyme, Proteine, Zellmembranen und Nukleinsäuren, ohne jedoch direkt in den Stoffwechsel der Mikroorganismen einzugreifen. Nur so schaffen es die Bakterien, trotz der widrigen äußeren Umstände zu überleben. Hohe Salzkonzentrationen, Trockenheit, starke Temperaturschwankungen und extreme Sonneneinstrahlung können ihnen dann nichts mehr anhaben. Eine clevere und seit Millionen von Jahren bewährte Strategie der Natur, die seit 2001 auch in der Kosmetik zum Einsatz kommt. Übrigens: Die Bakterien lieben die extremen Bedingungen und haben sich perfekt an sie angepasst. In einer für unsere Verhältnisse „normalen“ Umgebung würden sie nicht überleben!
Viele Studien haben sich seit der Entdeckung im Jahre 1985 mit dem Stoff beschäftigt. Man weiß mittlerweile, dass Ectoin als medizinisches Produkt bei entzündlichen Haut- und Schleimhauterkrankungen helfen kann. Häufige Indikationen sind zum Beispiel Erkältungen, Atemwegserkrankungen, Allergien, Psoriasis, Neurodermitis sowie Ekzeme. Der Wirkstoff kommt unter anderem in Nasen-, Mund- und Rachensprays, Inhalationslösungen, Augentropfen und Cremes vor. So soll beispielsweise das Inhalieren einer ectoinhaltigen Kochsalzlösung die Atemwege schützen und befeuchten.
Anhaltende oder wiederholt auftretende Nebenwirkungen wurden bislang nicht beobachtet, denn der physikalische Wirkmechanismus greift nicht in Prozesse des menschlichen Körpers ein.
In einigen wenigen Einzelfällen kam es nach dem Auftragen auf die Haut zu einem vorübergehenden, leichten und örtlich begrenzten brennenden Gefühl. Wer von sich bereits weiß, dass eine Überempfindlichkeit gegen Ectoin vorliegt, sollte entsprechende Produkte vorsichtshalber nicht verwenden. Zur Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit liegen aktuell noch keine Daten vor.
In der Biochemie dient der Stoff der Stabilisierung von Proteinen, Nukleinsäuren und anderen biologisch aktiven Substanzen.
Ectoin in der Kosmetik
Ectoin bewirkt die Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Funktionalität von verschiedenen biologischen Strukturen.
Der Stoff beeinflusst Wassermoleküle, indem er die Wechselwirkungen zwischen ihnen verstärkt. Daraufhin bilden die Moleküle eine Struktur, die an ein engmaschiges und dichtes Netz erinnert. Ectoin formt danach um sich selbst sowie um die umliegenden Proteine oder Zellmembranen eine stabile Wasserschicht. Oder anders ausgedrückt: Der Wirkstoff umgibt die Haut mit einem Schutz-Mantel aus winzigen Wasser-Molekülen. Dank dieser Schicht schützt Ectoin sehr effektiv vor äußeren Stress-Faktoren, und zwar so gut, dass der Prozess einen eigenen Namen erhielt. Wissenschaftler bezeichnen den Effekt nämlich als „Ectoin Hydro Complex“. In den behandelten Regionen wehrt die Wasserschicht Schadstoffe aus der Umwelt sowie Allergene (zum Beispiel Feinstaub) ab. Als Schutzbarriere kann sie auch verhindern, dass Faktoren wie Sonneneinstrahlung, Hitze, Kälte oder Salzwasser Schäden anrichten. Der Feuchtigkeitsgehalt der Haut wird erhöht, was wiederum einem Austrocknen entgegenwirkt. Produkte mit Ectoin können somit Falten reduzieren, die Haut straffer und glatter erscheinen lassen und die Regeneration unterstützen. Außerdem sind sie in der Lage, vor einer vorzeitigen, umweltbedingten Hautalterung und den negativen Folgen der schädlichen UV-Strahlung zu schützen. Gereizte Haut wird beruhigt, eine eventuell vorliegende Entzündung gehemmt. Die Wirksamkeit wurde durch die umfangreichen Studien bereits nachgewiesen.
Wer hoch wirksame Kosmetik mit Ectoin auf den Markt bringen will, kann daher mit den verschiedensten Claims auf seine Produkte aufmerksam machen.
Einige Beispiele:
- Reduziert Linien und Fältchen
- Verstärkt und repariert die Hautbarriere
- Schützt die Haut vor umweltbedingter Hautalterung und Stressfaktoren
- Beruhigt entzündete und gereizte Haut
- Verhindert UV-indizierte Schäden der Haut
- Reduziert Hautrötungen
- Reduziert den transepidermalen Wasserverlust der Haut
- Glättet schuppige und/oder raue Haut
- Erhöht langfristig die Hautfeuchtigkeit
- Schützt und stärkt das Abwehrsystem der Haut
Die Gewinnung dieses Wunderwirkstoff
Natürlich wird der Stoff nicht direkt aus der Wüste oder der Arktis bezogen, denn das wäre nicht nachhaltig. Die Wissenschaft ist mittlerweile in der Lage, den Wirkstoff durch ein aufwendiges Verfahren – das „Bakterien-Melken“ – herzustellen. Dieses Verfahren hat zudem den Vorteil, dass Ectoin nicht künstlich produziert, sondern aus Bakterien gewonnen wird. Dazu werden Extrembedingungen simuliert, das heißt in der Regel, die Bakterien kommen mit einer hohen Salzkonzentration in Berührung, wodurch sich große Mengen des schützenden Ectoins bilden. Durch das anschließende Spülen der Bakterien mit einer salzfreien Lösung kann das gespeicherte Ectoin freigesetzt und extrahiert werden.
Steckbrief Ectoin
- INCI: Ectoin
- Alternative Bezeichnung: (S)-2-Methyl-3,4,5,6-tetrahydropyrimidin-4-carbonsäure
- Definition: ein zu den Extremolyten gehörender Naturstoff, der von salzliebenden Bakterien bei extremen Umweltbedingungen gebildet wird
- CAS-Nummer: 96702-03-3
- Summenformel: C6H10N2O2
- Beschreibung: ein farbloses bis weißes Pulver
- Löslichkeit: in Wasser gut
- Schmelzpunkt: 280 Grad Celsius (Zersetzung)
- Wirkung: schützt vor äußeren Stressfaktoren, pflegend, stabilisiert die Hautbarriere, entzündungshemmend
- Anwendungsmöglichkeiten: als Anti-Aging-Pflege sowie für gestresste, gereizte, geschädigte und irritierte Haut
- Empfohlene Einsatzkonzentration: 0,3 – 2,0 Prozent
Das Multitalent ist ein Wunder der Natur
Ectoin ist ein natürlicher, multifunktionaler und hoch wirksamer Stoff, der nachweislich Haut- und Zellschäden verhindern kann und die Reparatur sowie die Regeneration der Haut fördert. Er eignet sich nicht nur für reife, sondern auch für geschädigte, empfindliche, irritierte und atopische Haut. Lassen auch Sie Ihre Zielgruppe von dieser Selbstverteidigungs-Strategie der Natur profitieren und ergänzen Sie Ihre Pflegelinie um hochwertige Produkte mit Ectoin! Cosmacon ist Ihnen gerne bei der Entwicklung und Umsetzung behilflich!
Literatur
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Development and Evaluation of a Novel Anti-Ageing Cream Based on Hyaluronic Acid and Other Innovative Cosmetic Actives Juncan AM, Morgovan C, Rus LL, Loghin F.Polymers (Basel). 2023 Oct 18;15(20):4134.
Ectoine disperses keratin and alters hydration kinetics in stratum corneum. Bow JR, Sonoki Y, Uchiyama M, Dauskardt RH.Biochem Biophys Rep. 2021 Sep 17;28:101134