Bienengift
So nützlich unsere Bienen auch sind, ein Stich ist meist sehr schmerzhaft und unangenehm. Für die Schwellung, den Schmerz und den Juckreiz ist das Bienengift verantwortlich, das die Biene ihrem „Gegner“ über den Giftstachel einspritzt. Im schlimmsten Fall kann Bienengift sogar lebensgefährliche allergische Reaktionen auslösen: Ein Grund mehr, den fleißigen Insekten nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Erstaunlicherweise ist Bienengift aber auch ein wertvoller Wirkstoff in der Medizin und der Kosmetik. Warum das so ist, liegt vor allem an der Zusammensetzung.
Die Zusammensetzung von Bienengift
Bienengift ist zunächst einmal relativ sauer, denn der pH-Wert liegt zwischen 4,5 und 5,5. Es hat eine klare bis gelbliche Farbe und ruft an der Einstichstelle eine lokale Entzündung hervor. Medizinisch wird Bienengift übrigens Apitoxin genannt, was sich vom lateinischen Begriff „Apis“ (Biene) und dem altgriechischen Begriff „toxikón“ (Gift) ableitet. Apitoxin besteht aus verschiedenen Proteinen und Molekülen. Mit einem Anteil von 50 Prozent bildet Melittin den Hauptbestandteil.
Melittin ist ein kationisches Polypeptid, das sich aus mehr als 20 Aminosäuren zusammensetzt und das wichtigste Allergen im Bienengift darstellt. Weitere Inhaltsstoffe von Apitoxin sind Phospholipase A2, ein Enzym, das zu rund zwölf Prozent enthalten ist und sowohl gerinnungshemmend als auch durchblutungsfördernd wirkt, das Nervengift Aptamin (etwa zwei Prozent, lässt die Cortisolproduktion in der Nebennierenrinde ansteigen) sowie Hyaluronidase (ebenfalls zwei Prozent), ein Stoff, der die Blutgefäße erweitert und sie durchlässiger macht, so dass sich die Entzündung besser ausbreiten kann. Zu den Molekülen in Bienengift zählen Histamin (löst den typischen Juckreiz aus), der Neurotransmitter Dopamin (wird im Volksmund als „Glückshormon“ bezeichnet) sowie der Botenstoff Noradrenalin, der als Stresshormon ähnlich wie Adrenalin wirkt. Noradrenalin ist unter anderem bekannt als Notfall-Arzneimittel in der Intensivmedizin, da der Stoff bei einem septischen, kardiogenen oder anaphylaktischem Schock wertvolle Dienste leistet.
Insgesamt sind in Apitoxin über 30 unterschiedliche Komponenten enthalten, die sich teilweise überhaupt nicht synthetisch herstellen lassen. Das bedeutet: Bienengift ist ein Wirkstoffcocktail, der in dieser Zusammensetzung absolut einzigartig ist. Für Allergiker birgt Bienengift durch das Zusammenspiel von Melittin als Hauptallergieauslöser und den anderen Bestandteilen von Apitoxin jedoch erhebliche Risiken. Typische Symptome einer Allergie gegen Bienengift und Melittin sind Schwellungen am und im Hals, eine starke Rötung der Haut und Atemnot, die lebensbedrohlich werden kann.
Die Biene bildet Apitoxin in ihrem Hinterleib und speichert es in der Giftblase. Bei jedem Stich werden ungefähr 0,1 Milligramm Bienengift freigesetzt. Beim Zustechen bleiben Stachel und Giftblase in der Haut stecken: Für die Biene ist diese Verletzung tödlich.
Das Bienengift Melittin und seine medizinische Wirkung
Schon Paracelsus stellte vor langer Zeit fest, dass die Giftigkeit einer Substanz von ihrer Dosierung abhängt. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und fand heraus, dass die Dosierung entscheidet, ob die Substanz tatsächlich als Gift oder aber als Medizin wirkt. Dieses Grundprinzip trifft auch auf Bienengift und Melittin zu. Sticht die Biene nämlich zu, schwillt der Bereich an, wird rot, schmerzt und juckt. Dies geschieht unter anderem, weil das Apitoxin die Durchblutung fördert. Und genau diesen Aspekt machen sich die Bereiche Medizin und Kosmetik zunutze.
Spritzt die Biene ihr Gift in gesundes und nicht entzündetes Gewebe, treten die typischen Symptome wie Rötungen, Schwellungen, Schmerzen und Überwärmung auf. Löst ein Arzt oder Therapeut jedoch durch Bienengift eine gezielte lokale Entzündung aus, kommt es in dem gewünschten Bereich zu einer vermehrten Stoffwechselaktivität. Durch die Wärme wird das Gewebe gelockert und die Muskeln entspannen sich, die Ausscheidung von Zellgiften und Schlacken wird angeregt.
Studien konnten zudem nachweisen, dass Melittin in einem schon vorher entzündeten Gewebe antientzündlich wirkt. Der Stoff kurbelt nämlich die körpereigene Cortisolausschüttung an, und da Cortisol eine überschießende Immuntätigkeit hemmt, geht die Entzündung folglich zurück.
In der chinesischen Medizin ist schon lange bekannt, dass Einreibungen mit Massagen beziehungsweise die Applikation von Bienengift in tiefere Gewebeschichten einen Heilreiz darstellen können. Angewendet wird das Gift darum auch traditionell im Rahmen von Akupressur-Behandlungen und Tuina-Massagen, aber auch Erkrankungen am Bewegungsapparat wie beispielsweise muskuläre Überlastungen, Arthritis und Arthrose sowie Nervenschmerzen bei Ischias und Zosterneuralgie lassen sich durch Bienengift lindern oder gar heilen. Allerdings muss vor der Behandlung sorgfältig geprüft werden, ob der Patient allergisch auf Melittin reagiert. Liegt eine Überempfindlichkeit vor, kann eine Desensibilisierung vorgenommen werden. In Präparaten gegen Rheuma, Hexenschuss, Sportverletzungen sowie Kälteschäden wird Bienengift heute bereits erfolgreich eingesetzt. Diese Form der Behandlung wird als Apitherapie (medizinische Verwendung von Bienenprodukten) bezeichnet. Und auch in der Homöopathie ist Bienengift in verdünnter oder auch potenzierter Form ein feste Größe und unter dem Namen Apisinium bekannt.
Melittin in der Kosmetik
Wenn das Bienengift Melittin auf die Haut trifft, reagiert sie mit Abwehrmechanismen: Die Durchblutung wird angeregt und die Haut kurbelt die Elastin- und Kollagenproduktion an. Im Grunde handelt es sich hierbei also um einen Anti-Aging-Effekt, denn schließlich gehören Elastin und Kollagen zu den wichtigsten Bestandteilen unserer Haut. Sie sind für die Festigkeit und die Gewebestärkung verantwortlich. Doch je älter wir werden, desto mehr verlieren die beiden Bestandteile an Produktivität. Die oftmals als unschön empfundene Folge: Die Haut wird schlaffer und weist deutlich weniger Elastizität vor. Bienengift wirkt diesen natürlichen Alterungserscheinungen vor. Es wird mittlerweile häufig anstelle von Botox eingesetzt, damit sich kleinere Fältchen glätten und das Hautbild ebenmäßiger aussieht. Das im Bienengift enthaltene Melittin übernimmt zudem eine wichtige Zellschutzfunktion bei Entzündungsreizen und ist 100 Mal entzündungshemmender als Cortison.
Erfolgreiche Anwendungsbeispiele von Melittin gibt es bereits reichlich.
Ein kosmetisches Serum mit Bienengift kann beispielsweise minimale Mikro-Schwellungen der Haut auslösen, die Fältchen und Linien sofort weniger sichtbar machen. Den gleichen Effekt haben Masken und Cremes mit Apitoxin.
Bezogen auf das Melittin dürfen wir bis zu 1% in Gesichtspflegeprodukte und bis zu 0.5% in Körperpflegeprodukte einsetzen. Der Hinweis auf „Insektenstichallergien“ sollte jedoch auf keinem Kosmetikum fehlen.
Aber auch für kosmetische Produkte gilt, dass Allergiker ohne ausreichende Desensibilisierung auf die Verwendung verzichten sollten. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, vor der ersten Anwendung einen Arzt zu konsultieren.
Bienenfreundliche Gewinnung von Bienengift
Um kosmetische Produkte mit Apitoxin herzustellen, müssen keine Insekten ihr Leben lassen. Es wurde bereits eine schonende Methode entwickelt, die kleinen Nektarsammler zum Stechen zu animieren. Dafür werden vor einem Bienenstock speziell konstruierte Glasplatten mit hauchdünnem Vliesbezug aufgestellt. In die Glasplatten sind feinste Metallfäden integriert, durch die ein (geringer) elektrischer Strom fließt. Wenn nun eine Biene auf einer Glasplatte landet, wird sie durch den elektrischen Impuls provoziert und sticht zu. Das Apitoxin gelangt durch das Vlies auf die Glasplatte, wo es abgenommen werden kann. Durch den harten Untergrund bleibt der Stachel der Biene nicht stecken, sie kann ihn also wieder einfahren und wird weder getötet noch verletzt.
Mehr als nur eine Alternative für Botox
Apitoxin als natürlicher Kosmetikwirkstoff bietet ein enorm großes Potenzial. Es ist mehr als „nur“ eine sanfte Alternative zu Botox, sondern ein ausgezeichnetes Anti-Aging-Mittel für vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Gerade für Seren, Gesichts- und Augencremes sowie Masken bietet sich Bienengift optimal an. Eine Anti-Falten-Behandlung ganz ohne Chemie also, bei der höchstens ein leichtes Kribbeln zu spüren ist, weil der Körper mit einem erhöhtem Blutdurchfluss reagiert. Menschen, die nicht unter einer Allergie gegen Apitoxin leiden, können entsprechende Produkte bedenkenlos verwenden, für Allergiker eignen sie sich jedoch nicht.