Bioverfügbarkeit
Der pharmakologische Fachbegriff Bioverfügbarkeit ist eine Messgröße, die beschreibt, in welchem Umfang und wie schnell ein Wirkstoff vom Körper resorbiert wird und dem Organismus zur Verfügung steht. Die Bioverfügbarkeit wird grundsätzlich immer in Prozent angegeben, der best- und höchstmögliche Wert ist stets 100 Prozent. Dieser Höchstwert lässt sich aber in der Regel nur bei der intravenösen Verabreichung von Medikamenten erreichen, was wiederum bedeutet, dass die Bioverfügbarkeit nicht nur von der Substanz allein abhängt, sondern auch von der Formulierung und der Art der Verabreichung. Bei Nährstoffen, die der Mensch beim Essen und Trinken zu sich nimmt, hängt die Verfügbarkeit zudem von der Kombination mit anderen Inhaltsstoffen beziehungsweise Lebensmitteln ab. Beispiel: Kaffee verringert von zahlreichen Nährstoffen die Bioverfügbarkeit. In der Kosmetik spielt die Verfügbarkeit ebenfalls eine große Rolle, sie wird hier dermale Bioverfügbarkeit genannt. Sie beschreibt den Wirkstoffanteil, der nach dermaler und lokaler Applikation in der Haut zur biologischen Verarbeitung zur Verfügung steht. Allerdings ist sie etwas schwerer zu messen, da ja dazu gleichzeitig auch definiert werden muss, in welcher der Hautschichten der jeweilige Inhaltsstoff ankommen soll, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.
Bioverfügbarkeit in der Kosmetik
Die Freisetzung von Wirkstoffen hat grundsätzlich jedoch einen enormen Einfluss auf die Effektivität eines kosmetischen Pflegemittels. Generell gibt es zwei Möglichkeiten der Stoffaufnahme über die Haut: Die Diffusion erfolgt entweder durch die Hautanhangsgebilde oder durch die Hornschicht. Durch den relativ geringen Anteil an Talg- und Schweißdrüsen sowie Haarfollikeln spielt die Aufnahme über die Poren meist keine große Rolle. Der Transport durch die äußere Epidermisschicht (Stratum corneum) erfolgt entweder transzellulär oder interzellulär. Der Transport von hydrophilen Stoffen wurde lange Zeit als transzellulär eingestuft, was sich aber als wenig wahrscheinlich herausstellte. Mittlerweile wird die interzelluläre Route sowohl bei lipophilen als auch bei hydrophilen Stoffen als maßgeblicher Transportweg angesehen.
Freisetzung und dermale Bioverfügbarkeit von kosmetischen Inhaltsstoffen über die Haut werden durch zahlreiche Faktoren und Stoffe bestimmt. Insgesamt ist der Prozess ein sehr komplexes Wechselspiel zwischen der jeweiligen Substanz und der Haut. Zur ersten Phase, also der Freisetzung des Wirkstoffs aus der Grundlage, zählt die Diffusion der gelösten Substanz bis zur Grenze Vehikel/Stratum corneum. Bei der darauf folgenden Penetration, also dem Eindringen in die Haut, wird die Barriere dann überwunden. Anschließend kommt es zur Verteilung in tiefere Epidermisschichten sowie in die Dermis. Die Freisetzung verläuft meist sehr schnell, während die eigentliche Penetration als maßgeblicher geschwindigkeitsbestimmender Faktor gilt. Das Stratum corneum ist für die Inhaltsstoffe eine ausgeprägte Barriere, was unter anderem an dem geringen Wassergehalt liegt. Mit penetrationsfördernden Wirkstoffen kann die Bioverfügbarkeit jedoch verbessert beziehungsweise erhöht werden.
Penetrationsfördernde Wirkstoffe zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit
Einige Substanzen sind in der Lage, die Struktur des Stratum corneum reversibel zu verändern, sie haben also penetrationsfördernde Eigenschaften und tragen zu einer besseren Bioverfügbarkeit bei. Die Barriereeigenschaften der Haut sinken, während die Permeabilität für kosmetische Inhaltsstoffe steigt. Ölsäure ist in diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert und gilt als ein klassischer Penetrationsverstärker. Durch die Kombination mit Propylenglycol kann die Wirksamkeit sogar noch gesteigert werden. Auch verzweigtkettige Fettsäuren haben einen positiven Effekt, allerdings ist die Wirkung nicht ganz so stark wie bei Ölsäure. Weitere Substanzen, die die Penetration und somit auch die Bioverfügbarkeit verbessern, sind der Lecithine, sowie den Klassiker Dimethylsulfoxid (DMSO). Die Wirkungsweise von Dimethylsulfoxid konnte bereits 1965 erstmals nachgewiesen werden: Nachdem DMSO einer Cremegrundlage beziehungsweise einer alkoholischen Lösung zugesetzt wurde, beobachteten Wissenschaftler einen starken Anstieg der Konzentration an Fluocinolonacetonid und Hydrocortison in der Haut. Und auch heute noch findet Dimethylsulfoxid in zahlreichen pharmazeutischen Rezepturen Verwendung. Der Vorteil von DMSO ist im Hinblick auf die Bioverfügbarkeit unter anderem in der schnellen Wirksamkeit zu sehen, jedoch ist DMSO in der Kosmetik verboten.
Ethanol ist unter den einwertigen Alkoholen der meist angewendete sowie in Bezug auf die Penetrationseigenschaften am besten untersuchte Wirkstoff für eine verbesserte Bioverfügbarkeit. Der Stoff ist in der Lage, die Löslichkeit für Wirkstoffe durch Eindringen in die Lipidbereiche der obersten Schicht der Epidermis zu erhöhen.
Eine Sonderstellung unter den Penetrationsförderern nimmt Harnstoff ein. Der körpereigene Stoff übernimmt in der Haut die Funktion eines natürlichen Feuchthaltefaktors. Harnstoff trägt effektiv zur Hydratisierung des Keratinmaterials im Stratum corneum bei, denn er verfügt über eine große Wasserbindungskapazität. Schon in gemäßigten Konzentrationen (bis etwa drei Prozent) kann er optimal als Penetrationsverstärker eingesetzt werden.
Allerdings ist mit einer penetrationssteigernden Wirkung zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit erst bei Anwendung über einen längeren Zeitraum zu rechnen.
D-Panthenol, die Vorstufe der Pantothensäure, macht die Haut durchlässiger und somit ebenfalls aufnahmebereiter für Wirkstoffe.
Steckbriefe der wichtigsten Stoffe zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit
Ölsäure
INCI: Oleic Acid
CAS-Nummer: 112-80-1
Löslichkeit: löslich in Ethanol und Emollients, unlöslich in Wasser
Siedepunkt: 360 Grad Celsius
Cosmoperine
INCI: Tetrahydropiperine
CAS-Nummer: 23434-88-0
Löslichkeit: mit Alkoholen, Lipiden
Schmelzpunkt: 45°C
Harnstoff
INCI: Urea
CAS-Nummer: 57-13-6
Löslichkeit: in Wasser sehr gut
Schmelzpunkt: 132,5 bis 134,5 Grad Celsius (Zersetzung)
Die Bedeutung der Bioverfügbarkeit
Um eine optimale Wirkstoffkonzentration sowie eine bestmögliche Freisetzung von Inhaltsstoffen zu erreichen, ist eine gute Bioverfügbarkeit von hoher Bedeutung. Darüber hinaus sind bei einer gezielten Wirkstofffreisetzung und der daraus resultierenden guten Bioverfügbarkeit oft deutlich weniger Nebenwirkungen zu erwarten.